Slezská univerzita v Opavě Gabriela Rykalová LINGVISTIKA TEXTU Opava 2020 2 FACHBESCHREIBUNG Dieser Kurs soll Grundinformationen über diese junge Wissenschaftsdisziplin vermitteln und die Studenten mit aktuellen Problemen der textlinguistischen Forschung bekannt machen. Besonders akzentuiert werden Probleme der Textklassifikation, eine große Aufmerksamkeit wird auch dem eigentlichen Text, seiner Entstehung und auch Interpretation gewidmet. Es werden auch Themen wie Kommunikation und Gesprächsanalyse behandelt, die Studenten werden auch mit einzelnen Vorschlägen der Textsortenklassifizierung und den Problemen der Zuordnung eines Textes zu einer bestimmten Textsorte bekannt gemacht. Im Laufe des Kurses werden die Studenten die Möglichkeit haben, selbständig und mit Hilfe von Fachliteratur verschiedene Aufgaben zu Lösen und mit konkreten Texten zu arbeiten. In jeder Lektion gibt es eine Liste mit weiterführender Literatur, in der sie weitere Informationen zu einzelnen Themen finden. ANFORDERUNGEN Die Studenten sollen die Theorie zu einzelnen Themen einstudieren. Sie müssen fähig sein, alle Fachtermini zu erklären und, wenn möglich, an Beispielen zu demonstrieren, dass sie den Stoff verstanden haben. Am Ende des Semesters wird eine Klausur geschrieben, in der nach den Fachtermini gefragt wird. Im Rahmen der Klausur wird auch eine textlinguistische Analyse durchgeführt. Die mit SA (schriftliche Aufgabe) gekennzeichneten Aufgaben müssen in der schriftlichen Form abgegeben werden. LITERATUR Grundliteratur: Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 4., durchges. und erw. Aufl. Berlin, 1997. de Beaugrande, Robert-Alain / Dressler, Wolfgang Ulrich: Einführung in die Textlinguistik. Tübingen 1981. Heinemann, Wolfgang / Viehweger, Dieter: Textlinguistik. Tübingen 1991. van Dijk, Teun: Textwissenschaft. Tübingen 1980. Vater, Heinz: Einführung in die Textlinguistik. Struktur, Thema und Referenz in Texten. 3., überarbeitete Auflage. Wilhelm Fink Verlag, München 2001. Weiterführende Literatur: Weiterführende Literatur zu einzelnen Themen ist am Ende jeder Lektion aufgeführt und wird regelmäßig aktualisiert. 3 ART DER KOMMUNIKATION MIT DEM LEKTOR Alle wichtigen Informationen zu dem Inhalt der Veranstaltung bekommen die Studenten an der einleitenden Vorlesung. Weiterhin wird vor allem per Email oder in den Sprechstunden kommuniziert. Eventuelle Fragen zu den einzelnen behandelten Themen beantwortet der Lektor entweder schriftlich per Email, telefonisch oder persönlich in den Sprechstunden. Mögliche Kommunikationsarten  E-mail: gabriela.rykalova@fpf.slu.cz  Telefon: 553 684 456  WWW: http://ifl.fpf.slu.cz/rykalova 4 1. TEXT UND SEINE DEFINITIONEN Was sind die Ziele? Die Studenten lernen die wichtigsten Fragestellungen der Textlinguistik kennen. Da nicht alle Häufungen von Wörtern als Text bezeichnet werden können, ist es nötig, die wichtigsten Eigenschaften eines Textes anzuführen und die Frage: „Was ist ein Text?“ zu beantworten. Diese Frage zu beantworten ist aber nicht einfach. Es gibt bisher keine einheitliche Textdefinition. Unter dem Begriff TEXT werden unterschiedliche Untersuchungsgegenstände vorgestellt. Deshalb werden in dieser Lektion einige Textund Textsortendefinitionen vorgestellt. Schlüsselbegriffe  Textlinguistik, Text, Nicht-Text, Äußerung, Kommunikat, Roman, Ein-WortText, Kommunikative Funktion, thematische Progression, semantische Kohärenz, Textualität, Textualitätsmerkmale, Textklassenmerkmale, Pragmatische Wende 1.1 TEXTLINGUISTIK Die Textlinguistik ist ein relativ neues Gebiet linguistischer Forschung. Ihr Untersuchungsgegenstand sind Texte, d.h. solche sprachlichen Einheiten, die mehr als einen Satz umfassen können, die wir aber dennoch als zusammenhängende Einheit empfinden. Die Textlinguistik sucht Antworten auf folgende Fragen:  Wie lässt sich die Größe Text linguistisch genau bestimmen?  Welche verschiedenen Typen von Texten gibt es?  Aus welchen Bauelementen bestehen Texte?  Wie hängen die einzelnen Elemente zusammen und wie werden sie zu Texten verbunden? 5 1.2 HAUPTRICHTUNGEN IN DER ENTWICKLUNG DER TEXTLINGUISTIK Betrachten wir die Textdefinitionen im Laufe der Entwicklung der Textlinguistik, so ist erkennbar, dass sich in der Textlinguistik zwei Hauptrichtungen entwickelt haben. 1) Es ist die „sprachsystematisch ausgerichtete“ Richtung (Brinker 1997:12), die das Sprachsystem unter dem Einfluss der generativen Transformationsgrammatik untersucht. Mitte der 60er Jahre wird der Text als eine kohärente Folge von Sätzen definiert, jedoch wird diese Textkohärenz rein grammatisch verstanden. Der Satz gilt als die oberste linguistische Einheit. 2) Anfang der 70er Jahre ändert sich die textlinguistische Orientierung nach der „pragmatischen Wende“. BRINKER (1997:14) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Kommunikationsorientierten Textlinguistik“. Die Texte werden im Zusammenhang mit der Kommunikationssituation, die zwischen einem Textproduzenten und einem Textrezipienten entsteht, analysiert. Als Text kann auch ein einziges Wort, das in eine kommunikative Situation eingebettet ist, bezeichnet werden. 1.3 TEXT TEXT Struktur Funktion systematisch – strukturelle Definition kommunikationsorientierte Definition = kohärente folge von Sätzen = kommunikative Einheit komplexe sprachliche Handlung Der Text bezeichnet eine begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen, die in sich kohärent ist, und die als Ganzes eine erkennbare kommunikative Funktion signalisiert. 1.4 TEXTDEFINITIONEN Da nicht alle Häufungen von Wörtern als Text bezeichnet werden können, ist es nötig, die wichtigsten Eigenschaften eines Textes anzuführen und die Frage: „Was ist ein Text?“ zu beantworten. Diese Frage zu beantworten ist aber nicht einfach. Es gibt bisher keine einheitliche Textdefinition. Unter dem Begriff TEXT werden unterschiedliche Untersuchungsgegenstände vorgestellt. Die Bestimmung dieses 6 Begriffs ist nach BRINKER einerseits durch die Eigenschaften des Textes, andererseits (und dieses Kriterium hält er für entscheidend) durch „die jeweiligen Untersuchungsziele der Wissenschaftler“ bestimmt. Deshalb werden in diesem Kapitel einige Textund Textsortendefinitionen vorgestellt. VATER (1994:18) definiert den Begriff Text als „eine Folge von sprachlichen Zeichen“. Neben den grammatischen und thematischen Kohärenzbedingungen ist es nach VATER vor allem die kommunikative Funktion, die eine Folge von sprachlichen Zeichen zu einem Text macht. Dabei spielt die Länge des Textes keine Rolle. „Eine Interjektion wie au! bildet ebenso einen Text wie die Roman-Tetralogie ´Joseph und seine Brüder´ von Thomas Mann.“ (Vater 2001:14) DIMTER (1981:2) beschreibt den Text als ein „sprachliches Gebilde“. Dieses Gebilde kann aber auch nur unter bestimmten Bedingungen zu einem Text werden. Zu diesen Bedingungen zählen Textualitätsmerkmale, die in einem solch „sprachlichen Gebilde“ enthalten sein müssen. „Jeder konkrete Text trägt zum einen bestimmte Merkmale, die seine Textualität ausmachen – man könnte von ,Textualitätsmerkmalen’ sprechen -, zum anderen bestimmte Merkmale, die ihn als Text einer bestimmten Textsorte kennzeichnen, solche Merkmale sollen ,Textklassenmerkmale’ heißen.“ (Dimter 1981:2). DIMTER (vgl.1981:5) zählt die wichtigsten Eigenschaften eines Textes in folgenden Punkten auf: - gewisser syntaktischer Zusammenhang - ein Text muss syntaktisch kohärent sein - gewisser Grad an semantischer Kohärenz, z. B. thematische Progression - kommunikative Funktion - gewisse Abgeschlossenheit des sprachlichen Gebildes. Diese Eigenschaften führen dann zur folgenden Textdefinition: „Ein Text ist eine syntaktisch, semantisch und pragmatisch kohärente, abgeschlossene Folge sprachlicher Zeichen“ (Dimter 1981:6). Auch BRINKER (1992:126) arbeitet mit den Termini „Sprachliches Gebilde“ und „Textualitätsmerkmale“. Nach BRINKER sind die wichtigsten Eigenschaften eines Textes die grammatische und thematische Kohärenz und vor allem die kommunikative Funktion, die eine Satzfolge zu einem Text macht. BRINKER (1997:17) bezeichnet einen Text als „eine begrenzte Folge von sprachlichen Zeichen, die in sich kohärent ist und die als Ganzes eine erkennbare kommunikative Funktion signalisiert.“ WAWRZYNIAK legt folgende Textdefinition vor: „Kommunikation erfolgt durch Texte, die zwischen den Kontaktpartnern (Sprecher und Versteher, Schreiber und Leser) ausgetauscht werden. Unter Texten versteht man sowohl schriftliche als auch mündliche Äußerungen, die unterschiedlicher Länge sein können: von einem Ein-Wort-Text bis zum Gesamttext eines mehrbändigen Romans.“ (Wawrzyniak 1980:7). 7 Eine sehr gelungene kommunikationsorientierte Textdefinition können wir bei HEINEMANN/VIEHWEGER (1991) finden. Nach dieser Definition sind Texte: „Äußerungsfolgen, die von einem oder auch von mehreren Sprechern in einer bestimmten Handlungssituation mit einer bestimmten Absicht produziert werden, um damit einen von dem bzw. den Produzenten gewünschten Zustand herbeizuführen. Der Produzent geht dabei davon aus, daß der Adressat anhand der Äußerung sowie unter Einbeziehung situativer, ko- und kontextueller Faktoren die Absicht des Produzenten erkennen kann.“ (Heinemann/Viehweger 1991:92) In den oben genannten Definitionen wird der Text als „eine Folge von sprachlichen Zeichen“, als ein „sprachliches Gebilde“, als eine „schriftliche oder mündliche Äußerung“, als „Kommunikat“ bezeichnet. Die wichtigsten Merkmale, die seine Textualität ausmachen sind die grammatisch-syntaktische und semantische Kohärenz und vor allem die kommunikative Funktion. Texte sind Produkte der sprachlichen kommunikativen Tätigkeit. Die sprachliche Kommunikation verläuft nicht in isolierten Wörtern und Sätzen, sondern in Texten (vgl. Helbig 1988:155). 1.5 SCHLUSSFOLGERUNG Aus dieser Auswertung ergeben sich zahlreiche Fragen. Wie zu sehen ist, unterscheiden sich die Textdefinitionen in der Länge eines Textes und in der Schriftlichkeit oder Mündlichkeit. Es ist nicht eindeutig, welches sprachliche Gebilde als Text bezeichnet werden kann, und was die wichtigsten Textualitätsmerkmale sind. In einigen Definitionen (vgl. Helbig 1988:159) spielt die Oberflächenstruktur eine entscheidende Rolle und die syntaktischen und grammatischen Merkmale stehen im Vordergrund. In anderen Definitionen sind die kommunikative Funktion, sowie semantische als auch pragmatische Beziehungen am wichtigsten. Auch die Frage, was als Text bezeichnet werden kann und was kein Text mehr ist, ist nicht leicht zu beantworten. Selbst einige Linguisten ziehen keine klaren Grenzen zwischen TEXTEN und NICHT-TEXTEN. „Scherner hält jedoch eine klare Grenzziehung zwischen Texten und Nicht-Texten für problematisch, wenn nicht gar unmöglich [...]“. (Vater 1994:19) HELBIG (1988:158) schreibt die Unterschiedlichkeiten in einzelnen Definitionen den „unterschiedlichen Ausgangspunkten in verschiedenen Grammatiktheorien“ und den linguistischen Entwicklungstendenzen zu. Aufgabe 1 1. Fassen Sie die wichtigsten Eigenschaften eines Textes zusammen. 2. Erklären Sie den Begriff „Pragmatische Wände“. 8 3. Versuchen Sie T1 zu übersetzen und die Frage zu beantworten, ob es sich um einen Text handelt und warum. T1 Ene mene miste, es rappelt in der Kiste. Ene mene mu und raus bist du. 4. Nennen Sie die Unterschiede zwischen T2 und T3 sowie Gemeinsamkeiten, die beide Gebilde zu Texten machen. T2 Ein ausgemusteter Polizeihund hat seinem Herrn das Leben gerettet. Der 56jährige Rentner aus München war 17 Jahre lang bei der Polizeihundschule in München-Allach. Das Zehnjährige Tier hat den Rentner, der bei einem Spaziergang in den Isar-Auen nach einem Herzanfall zusammengebrochen war, am Mantelkragengepackt und 60 m weit zur Landstraße gezerrt. Wie die Polizei weiter berichtete, brachten Arbeiter eines nahe gelegenen Klärwerks den Bewusstlosen ins Krankenhaus, wo er gerettet werden konnte. dpa Falls Sie mehr zu diesem Thema erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen: Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 4., durchges. und erw. Aufl. Berlin, 1997. Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 3., durchges. und erw. Aufl. Berlin, 1992. Dimter, Matthias: Textklassenkonzepte heutiger Alltagssprache. Kommunikationssituation, Textfunktion und Textinhalt als Kategorien alltagssprachlicher Textklassifikation. Tübingen 1981. Heinemann, Wolfgang / Viehweger, Dieter: Textlinguistik. Tübingen 1991. Helbig, Gerhard: Entwicklung der Sprachwissenschaft sei 1970. Leipzig, 1988 / Opladen, 1990. Vater, Heinz: Einführung in die Textlinguistik. Struktur, Thema und Referenz in Texten. 2., überarbeitete Auflage. Wilhelm Fink Verlag, München 1994. Wawrzyniak, Zdislaw: Einführung in die Textwissenschaft. Probleme der Textbildung im Deutschen. Warszawa 1980. 9 2. TEXTUALITÄTSKRITERIEN Was sind die Ziele? In der zweiten Lektion werden die sieben Kriterien der Textualität, die nach Beaugrande/Dressler jeder Text erfüllen muss, um als Text bezeichnet werden zu können, vorgestellt. Schlüsselbegriffe  Textualitätskriterien, Kohärenz, Kohäsion, Intentionalität, Akzeptabilität, Informativität, Situationalität, Intertextualität, Oberflächenstruktur des Textes, Binnenstruktur des Textes, Vertextungsmittel, Substitution, Referenz und Ellipse, Junktion, Anaphorik, Kataforik, syntaktische, textsemantische und textpragmatische Kohärenz 2.1 TEXTUALITÄTSKRITERIEN Nach BEAUGRANDE/DRESSLER (vgl. 1981:3) muss jeder Text sieben Kriterien der Textualität erfüllen, um als Text bezeichnet werden zu können:  Kohäsion  Kohärenz  Intentionalität  Akzeptabilität  Informativität  Situationalität  Intertextualität „Wenn irgendeines dieser Kriterien als nicht erfüllt betrachtet wird, so gilt der Text nicht als kommunikativ. Daher werden nicht-kommunikative Texte als NichtTexte behandelt [...]“ (Vater 1994:31). Sie müssen aber nicht in gleicher Intensität vorkommen - der eine Standard kann in den Hintergrund treten, der andere im Vordergrund stehen. Das erste Kriterium ist die Kohäsion, die Art, wie einzelne Textelemente miteinander verknüpft sind. Man könnte sie als eine grammatische Abhängigkeit zwischen Buchstaben, Wörtern, Satzgliedern und Satzteilen im Text auffassen. Diese Abhängigkeit betrifft die Oberflächenstruktur und die Binnenstruktur des Textes. VATER (1994:35) nennt einige Arten von Kohäsionsbeziehungen: Substitution, Referenz und Ellipse, auch Junktion, die z.B. kausale Relationen zwischen Sätzen kennzeichnet, oder Anaphorik und Kataforik, die den Kontext nach links oder nach rechts verweisen. 10 Die Struktur des Textes richtet sich also nach morphologischen und syntaktischen Regeln. Bei BEAUGRANDE/DRESSLER (vgl. 1981:5) wird auch die Kohärenz als ein selbständiges Kriterium bezeichnet, andere Linguisten machen allerdings zwischen der Kohäsion und der Kohärenz keine Unterschiede. Die Kohärenz ist nicht nur eine grammatische, sondern auch eine semantische Abhängigkeit der Textelemente. Die Kohärenz bezieht sich auf die Bedeutung und den Sinn des Textes. Es geht um einen inhaltlichen Zusammenhang der Textteile. HELBIG (1988:162) unterscheidet die syntaktische Kohärenz textsemantische Kohärenz textpragmatische Kohärenz Ein Text muss nicht nur syntaktisch kohärent sein, sondern auch eine gewisse semantische Kohärenz nachweisen. Die semantische Kohärenz ist von den Kommunikationspartnern abhängig, deshalb ist auch die pragmatische Kohärenz von entscheidender Bedeutung. Ein Text ist nur dann kohärent, wenn er über „Vertextungsmittel, die auf unterschiedlichen Ebenen zu lokalisieren sind“, verfügt (Viehweger in Helbig 1988:164). Nach VIEHWEGER sind es: 1. die grammatisch-syntaktischen Vertextungsmittel, 2. die semantischen Vertextungsmittel und 3. die kommunikativen Vertextungsmittel. Aufgabe 2 1. Studieren Sie Vater 1994:35 ein und erklären Sie folgende Begriffe: Substitution, Referenz und Ellipse, Junktion, Anaphorik, Kataforik 2. Suchen Sie Beispiele für diese Begriffe im folgenden Text: Ein ausgemusteter Polizeihund hat seinem Herrn das Leben gerettet. Der 56jährige Rentner aus München war 17 Jahre lang bei der Polizeihundschule in München-Allach. Das Zehnjährige Tier hat den Rentner, der bei einem Spaziergang in den Isar-Auen nach einem Herzanfall zusammengebrochen war, am Mantelkragengepackt und 60 m weit zur Landstraße gezerrt. Wie die Polizei weiter berichtete, brachten Arbeiter eines nahe gelegenen Klärwerks den Bewusstlosen ins Krankenhaus, wo er gerettet werden konnte. dpa 11 Das dritte Kriterium, die Intentionalität, ist die wichtigste Eigenschaft jeder Kommunikation. An dieser Stelle spricht man vom Zweck, zu dem ein Text entstanden ist. Mit der Intention ist die Absicht des Produzenten gemeint. Von der Akzeptabilität wird im Zusammenhang mit der Angemessenheit bei der Verwendung von Sprachmitteln in bestimmten Situationen gesprochen. Die Eigenschaft des Textes, inhaltliche Informationen zu tragen, wird als Informativität bezeichnet. Die Situationalität, die Angemessenheit eines Textes, korrespondiert mit der Erwartung des Adressaten, in bestimmten Situationen solche Informationen zu bekommen, die für diese Situation relevant sind. Bei der Intertextualität handelt es sich einerseits um Zusammenhänge zwischen einzelnen Texten, andererseits um Eigenschaften des Textes, die mit der Zugehörigkeit zu einer Textsorte zusammenhängen. Aufgabe 3 1. Beschreiben Sie, ob und wie T1 die sieben Textualitätsmerkmale erfüllt. 2. Muss, nach Ihrer Meinung, ein Text alle sieben Textualitätsmerkmale erfüllen? Denken Sie an die Situationalität und die Akzeptabilität. Falls Sie mehr zu diesem Thema erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen: de Beaugrande, Robert-Alain / Dressler, Wolfgang Ulrich: Einführung in die Textlinguistik. Tübingen 1981. Helbig, Gerhard: Entwicklung der Sprachwissenschaft sei 1970. Leipzig, 1988 / Opladen, 1990. Vater, Heinz: Einführung in die Textlinguistik. Struktur, Thema und Referenz in Texten. 2., überarbeitete Auflage. Wilhelm Fink Verlag, München 1994. 12 3. TEXTSTRUKTUR Was sind die Ziele? Jeder Text hat seine Struktur. Romane bestehen z.B. aus Kapiteln, jedes Kapitel aus Absätzen, jeder Absatz aus Sätzen, die in Worte zerlegbar sind. Texte als Vertreter unterschiedlicher Textsorten haben unterschiedliche Textstrukturen. In dieser Lektion sollen die Studenten mit der Makro- und Mikrostruktur des Textes bekannt gemacht werden. Schlüsselbegriffe  Makrostruktur, Mikrostruktur, Superstruktur, Narrative Struktur, argumentative Struktur, wissenschaftliche Abhandlung, Text-Großgliederung, Delinealisierung der Textstruktur, funktionale Satzperspektive, Thema, Rhema, thematische Progression 3.1 STRUKTUR DES TEXTES Jeder Text hat seine innere Struktur. Romane bestehen z.B. aus Kapiteln, jedes Kapitel aus Absätzen, jeder Absatz aus Sätzen, die in Worte zerlegbar sind. Texte als Vertreter unterschiedlicher Textsorten haben unterschiedliche Textstrukturen. Je nachdem, ob und wie der Text innerlich geteilt ist, unterscheiden wir lineare Texte, Übersichtstexte, synoptische und tabellarische Texte. Die Textsorten unterscheiden sich durch die Form. Bei einzelnen Textsorten können wir von einer Musterform sprechen (z.B. Brief, Kochrezept). Geschäftsbriefe Geschäftsbriefe sind Produkte einer Kommunikation zwischen Geschäftspartnern und werden meistens nach schon vorgegebenen Vorlagen produziert. Die üblichen Bestandteile eines Geschäftsbriefes sind: Adresse des Empfängers, Anlagevermerk, Anrede, Betreffzeile, Bezugsteichenzeile, Briefkopf, Brieftext, Schlussformel, Unterschrift, Verteilervermerk. 13 Gedichte Gedichte sind Texte mit einer spezifischen Struktur. Sie bestehen aus Absätzen, die als ‚Strophen‘ genannt werden. Die einzelnen Zeilen bilden die ‚Versen‘. In klassischen Gedichten spielt der Reim, der die Struktur des Gedichtes akustisch deutlich macht, eine wichtige Rolle. Joseph von Eichendorff: MONDNACHT Es war, als hätt' der Himmel Die Erde still geküsst, Dass sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müsst'. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus. (Quelle: http://www.gedichte-im-unterricht.de/) Wie schon gesagt, ist ein Text eine Folge von sprachlichen Zeichen, die eine kommunikative Funktion haben. Der Text ist daher durch eine Kommunikationssituation bedingt. Der Kontext und die Formen der Kommunikation beeinflussen den Textinhalt und auch die Textstruktur. Nach einer bestimmten Textstruktur kann der Textrezipient auf den ersten Blick die Textsorte erkennen und mit einer bestimmten Erwartung an diesen Text herangehen. Ein gut strukturierter Text ist auch schneller rezipierbar und besser Verständlich. VAN DIJK (1980) bezeichnet die Textsortenmuster als „Superstrukturen“. „Die Superstruktur ist eine Art abstraktes Schema, das die globale Ordnung eines Textes festlegt und das aus einer Reihe von Kategorien besteht, deren Kombinationsmöglichkeiten auf konventionellen Regeln beruhen.“ (van Dijk 1980:131) Diese Superstrukturen existieren unabhängig vom Inhalt. Einen Bericht kann man über einen Unfall, über das Wetter, über einen Urlaub oder eine Geburt schreiben, umgekehrt kann man zum Thema Hochzeit nicht nur berichten, sondern auch einen Witz, ein Gedicht, eine Heiratsurkunde verfassen, oder ein Gespräch führen. Entscheidend für die Wahl einer Textform - einer Superstruktur ist der kommunikative Kontext und die kommunikative Funktion. 14 3.2 THEMENENTFALTUNGSSTRATEGIEN 1. Narrative Themenentfaltung - Charakteristisch ist diese Strategie für erzählende Texte (z.B. für Alltagserzählungen, Romane, Märchen u.a.) - Im Mittelpunkt der Erzählung steht eine Repräsentation des Ereignisses, die sich aus einer oder mehreren Ereignisphasen konstituiert. Die einzelnen Ereignisse werden meistens chronologisch hintereinander gereiht. 2. Deskriptive Themenentfaltung - Charakteristisch ist diese Strategie für beschreibende Texte. Es gibt mehrere Varianten: 1) Das Thema bezeichnet einen einmaligen Vorgang, ein historisches Ereignis (z.B. Nachricht, Bericht). 2) Das Thema bezeichnet einen als regelhaft (wiederholbar) dargestellten Vorgang (z.B. Bedienungsanleitungen, Gebrauchsanweisungen, Handund Lehrbücher). 3) Das Thema beschreibt (meist detailliert) ein Lebewesen oder einen Gegenstand (z.B. Lexika). 3. Explikative Themenentfaltung - Charakteristisch ist diese Strategie für Textsorten, die auf eine Erweiterung des Wissens zielen (Lehrbuch, populärwissenschaftlicher und wissenschaftlicher Text). - Nach diesem Schema erklärt der Wissenschaftler einen Sachverhalt dadurch, dass er ihn aus bestimmten anderen Sachverhalten (das Erklärende) logisch ableitet. In explikativen Texten wird erklärt, wie etwas funktioniert. 4. Argumentative Themenentfaltung - Nach diesem Schema begründet der Textrezipient eine (strittige) Behauptung bzw. These, die das Textthema repräsentiert, durch Argumente. - Charakteristisch ist diese Strategie für Texte, in denen es darum geht, den Rezipienten zu überzeugen oder ihn zu einem Handeln zu veranlassen (z.B. Werbung) und für Texte, die eine eigene Meinung repräsentieren (z.B. Kommentar, Glosse). - Diese Strategie ist auch bei Texten mit wertendem Charakter zu finden (z.B. Rezension, Gutachten). 15 Genauso spielt nach DANEŠ (1999) die Aufteilung eines Textes eine wichtige Rolle. Dadurch, dass ein Langtext in kleinere Segmente (wie z. B. Absätze oder kürzere Texte) geteilt wird, werden die Informationen optisch gegliedert, und der Leser kann sich im Text besser orientieren. DANEŠ macht vor allem auf die kommunikative Funktion aufmerksam, die bei einer Textteilung im Vordergrund steht und die dem Leser ermöglicht, „die inhaltliche Seite des Textes auf eine expressivere, explizitere Weise zu artikulieren“(1999:381). Bei BUCHER (1998) finden wir den Terminus „Delinealisierung der Textstruktur“. Es geht aber nicht nur um eine räumliche Gliederung. Ein langer Text wird auch durch Linien, Umrahmungen und Zwischentitel optisch geteilt, oder sogar in optisch selbständige, aber zusammenhängende Texte zerlegt, die das gleiche Thema und oft auch der gleiche Titel zu einer Einheit verbindet. BUCHER erklärt, warum so zerlegte Texte für den Leser attraktiver sind: „Einerseits bietet ein Ensemble aus verschiedenen Beiträgen auch verschiedene Einstiegsmöglichkeiten für den Leser und verschiedene Nutzungsstrategien. Während der Langtext den Leser vor eine Alles-oder-NichtsEntscheidung stellt…“ (1996:44). Als Struktur bezeichnet NUSSBAUMER (1991) im Bereich der geschriebenen Sprache die graphische Anordnung und Gestaltung eines Textes, in der sich insbesondere die Textgroßgliederung niederschlägt (gemeint werden an dieser Stelle einige journalistische Textsorten mit Titel, Untertitel, Lead, Text). Im Bereich der gesprochenen Sprache gibt es paraverbale und prosodische Mittel, die der Strukturierung von Texten dienen. Pausen markieren z.B. Grenzen von Textgroßteilen, ähnliche Funktionen haben auch Lautstärke, Tonfall, Intonation. 16 4. TEXTPRODUKTION Was sind die Ziele? In dieser Lektion haben die Studenten, die jeden Tag, mehr oder weniger bewusst, Texte produzieren, die Möglichkeit, etwas mehr über Prozesse bei der Textentstehung zu erfahren. Es wird gezeigt, welche Wissens- und Kenntnissysteme sowohl für die Textproduktion, als auch für die Textrezeption notwendig sind. Schlüsselbegriffe  Textproduzent, Textrezipient, Sprecher, Adressat, Kommunikationspartner, Textproduktion, Textrezeption, sprachliches Wissen, enzyklopädisches Wissen, Interaktionswissen, Wissen über kommunikative Normen, Wissen über globale Textstrukturen 4.1 TEXTPRODUKTION 1. Textproduktion ist eine sprachliche Tätigkeit, die sozialen Zwecken dient, 2. Textproduktion ist eine bewusste, intentionale Tätigkeit, durch die ein Sprecher unter bestimmten Bedingungen einen Text produziert und dem Adressaten zu verstehen zu geben versucht, 3. Textproduktion ist eine partnerbezogene Tätigkeit. Die Kommunikationspartner werden auf unterschiedliche Weise in die sprachliche Tätigkeit einbezogen. (nach Heinemann/Viehweger 1991:89) Der Sprecher, der einen Text produziert, verfolgt damit eine bestimmte Absicht, z.B.:  Informationen zu übermitteln,  Informationen zu bekommen,  den Adressaten zu überzeugen,  den Adressaten zu einer Tätigkeit zu motivieren usw. HEINEMANN UND VIEHWEGER (1991) machen auf eine sehr wichtige Tatsache aufmerksam: „Bei der Textproduktion geht es um eine konstruktive, schöpferische Tätigkeit, für deren Realisierung und Kontrolle gesellschaftlich erworbenes Wissen sowie gesellschaftliche Erfahrungen eingesetzt werden.“ Das bedeutet, dass der 17 Sprecher keinen schon fertigen Text reproduziert, sondern ihn mit Hilfe seiner Kenntnisse und Erfahrungen schafft. Das bedeutet, dass sowohl für die Textproduktion, als auch für die Textrezeption bestimmte Wissens- und Kenntnissysteme notwendig sind: sprachliches Wissen, enzyklopädisches Wissen und Interaktionswissen. 1. Sprachliches Wissen Zum sprachlichen Wissen gehören Kenntnisse über grammatische Regeln, über den Satzbau, über verschiedene Lexikoneinheiten, aber auch Kenntnisse über die Verknüpfung elementarer semantischer Einheiten zu einer sinnvollen Äußerung. 2. Enzyklopädisches bzw. Sachwissen Dieses Wissen ist dann notwendig, wenn sinnvolle Informationen übermittelt werden sollen. Es ist ein Wissen über die Welt, die jeder Mensch in seinem Leben erwerben kann. 3. Interaktionswissen sowie Wissen über kommunikative Normen An dieser Stelle sprechen wir über Kenntnisse darüber, wie man sprachlich jene Kommunikationsziele erreicht, die man verfolgt. Es ist ein Wissen darüber, wie man einen situationsgebundenen und den Kommunikationsgewohnheiten entsprechenden Text produziert und welche Kommunikationsmittel man dazu wählt. Es ist auch wichtig den Text so zu gestalten, dass der Adressat die Intention des Sprechers richtig rekonstruieren kann. 4. Wissen über globale Textstrukturen Es ist en Wissen darüber, wie ein und dasselbe Thema in unterschiedliche Textformen verarbeitet werden kann. Darunter versteht man das Wissen über die Beziehung einzelner Textsorten und das Wissen darüber, wie man z. B. eine Bewerbung, ein Telegramm oder eine Einladung schreibt, welche Form und welchen Inhalt diese Texte haben sollten. Es wurde schon gesagt, dass die Textproduktion eine partnerbezogene Tätigkeit ist, und dass die Kommunikationspartner auf unterschiedliche Weise in die sprachliche Tätigkeit einbezogen werden. Für den Verlauf einer Textproduktion ist es ein entscheidendes Moment. Ist der Adressat, im Falle der mündlichen Kommunikation, bei der Textproduktion anwesend (z.B. bei einem Gespräch, bei einer Vorlesung usw.), kann er den Prozess der Textentstehung direkt beeinflussen. Durch seine Reaktionen kann der Hörer den Sprecher dazu bringen, Wiederholungen, Zusammenfassungen, Erklärungen, Präzisierungen, Richtigstellungen, Korrekturen u.a. in den Text einzubauen, um Missverständnisse zu eliminieren. 18 Aufgabe 5 1. Suchen Sie in der Fachliteratur, wie dass Wissen darüber, wie Kommunikationsstörungen verhindert oder eliminiert werden können, bezeichnet wird. 2. In diesem Kapitel wurde nicht über die Textplanung gesprochen. Denken Sie an einen konkreten Text und versuchen Sie Ihre eigene Textproduktionsstrategie in einzelnen Punkten zu beschreiben. Falls Sie mehr zu diesem Thema erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen: Heinemann, Wolfgang / Viehweger, Dieter: Textlinguistik. Tübingen 1991. Linke, Angelika / Nussbaumer, Markus / Portmann, Paul, R.: Studienbuch Linguistik. Tübingen 1991. van Dijk, Teun: Textwissenschaft. Tübingen 1980. Vater, Heinz: Einführung in die Textlinguistik. Struktur, Thema und Referenz in Texten. 2., überarbeitete Auflage. Wilhelm Fink Verlag, München 1994. 19 5. TEXTVERSTEHEN Was sind die Ziele? In der Lektion 4 wurde gesagt, wie Texte produziert werden und welche Kenntnisse und Vorwissen dafür erforderlich sind. In dieser Lektion soll erklärt werden, wie Texte durch einen Interpreten verstanden werden (können). Die Studenten werden auch mit verschiedenen Leserstrategien bekannt gemacht. Schlüsselbegriffe  Textverstehen, Interpretation, Erwartungen, Vorwissen, Kenntnisse, Interessen, Motivationsgründe, Leserstrategien 5.1 TEXTINTERPRETATION Die Interpretation und das Verstehen sind „konstruktive Tätigkeiten, in denen der Rezipient über die Verarbeitung der Sinnesdaten weit ausgeht, indem er die in der Regel vage Datenstruktur eines Textes mit Vorwissen bzw. Kenntnissen auffüllt.“ (Heinemann/Viehweger) Da dieses Vorwissen und Kenntnisse bei jeder Person anders sind, läßt es sich nicht vermeiden, dass derselbe Text von verschiedenen Rezipienten auf ganz unterschiedliche Weise verstanden wird. Nicht nur andere Kenntnisse, Interessen, Motivationsgründe, sondern auch andere Erwartungen können das Textverstehen beeinflussen. HEINEMANN und VIEHWEGER haben verschiedene Leserstrategien beschrieben: 1. Aufgabenorientiertes Textverstehen Es hat sich gezeigt, dass ein Text vom Leser besser und schneller verstanden wird, wenn der Leser irgendwie motiviert ist, das heißt, wenn er z.B. eine mit dem Text verbundene Aufgabe zu lösen hat, wenn er gezielt bestimmte Informationen speichern (lernen) soll, wenn er die Gebrauchsanweisung verstehen muss, um ein Gerät in Betrieb setzen zu können, usw. 2. Interessegeprägtes Textverstehen Das Interesse ist die größte Motivation nicht nur beim Lernen, sondern auch beim Textverstehen. Das, was den Leser interessiert, liest er mit einer großen Aufmerksamkeit, er nimmt die Informationen auf, er sucht Zusammenhänge zwischen 20 einzelnen Bedeutungseinheiten und seinen schon erworbenen Kenntnissen. Was den Leser aber nicht interessiert, wird meistens nicht zur Kenntnis genommen. 3. Verhaltensorientiertes Textverstehen „Unter diesem Terminus sollen Rezeptionsprozesse zusammenfasst werden, bei denen der Leseakt zum auslösenden Stimulus für vom Schreiber erwartbare Handlungen des Rezipienten wird.“ (Heinemann/Viehweger 1991:270) Zum verhaltensorientierten Verstehen kommt es z.B. bei der Rezeption von Hinweisschildern (Eingang., Ziehen., Kein Durchgang!, Den Rasen nicht betreten!). 4. Partnerbezogenes Textverstehen Das Verstehen des Textes kann dadurch beeinflusst werden, dass der Text (z.B. ein Privatbrief) nicht von einem unbekannten Verfasser produziert wurde, sondern von einer bekannten Person (einem bekannten Kommunikationspartner). Aufgaben 6 1. Wie verstehen Sie die Begriffe „eine Leserfreundliche Textaufbereitung“ bei NUSSBAUMER und „Delinealisierung der Textstruktur“ bei BUCHER im Zusammenhang mit dem oben besprochenen Thema? 2. Welche von den oben genannten Leserstrategien werden bei der Rezeption von Texten in einer Zeitung aktiviert? (Denken Sie auch an die Werbung.) Falls Sie mehr zu diesem Thema erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen: Bucher, Hans-Jürgen: Vom Textdesign zum Hypertext. In: Holly, Werner / Biere, Bernd Ulrich (Hrsg.): Medien im Wandel. Opladen / Wiesbaden 1998. Heinemann, Wolfgang / Viehweger, Dieter: Textlinguistik. Tübingen 1991. Linke, Angelika / Nussbaumer, Markus / Portmann, Paul, R.: Studienbuch Linguistik. Tübingen 1991. Nussbaumer, Markus: Was Texte sind und wie sie sein sollen. Tübingen 1991. van Dijk, Teun: Textwissenschaft. Tübingen 1980. Vater, Heinz: Einführung in die Textlinguistik. Struktur, Thema und Referenz in Texten. 2., überarbeitete Auflage. Wilhelm Fink Verlag, München 1994. 21 6. KOMMUNIKATION Was sind die Ziele? In folgender Lektion erfahren die Studenten, wie eine Kommunikation abläuft und welche theoretische Begriffe zu ihrer Beschreibung dienen. Schlüsselbegriffe  Kommunikation, sprachliches Handeln, Produktion, Rezeption, Interpretation, Übertragung, Kanal, Medium, Kommunikationskonserve, Produzent, Sender, Rezipient, Empfänger, Situation, Handlungsabsicht, Funktion, direkter und indirekter Kontakt, Zeitrelation, Massenkommunikation 6.1 KOMMUNIKATION Die Kommunikation ist ein alltäglicher, zweiseitiger Prozess, dessen Ziel es ist, dass sich zwei Seiten (Individuen) verständigen. „Kommunikation ist zielgerichtetes, soziales Handeln, das den Austausch und die Vermittlung von Informationen im weitesten Sinn zum Gegenstand hat.“ (Karmasin 1993) Die Kommunikation wird nach folgendem vereinfachten Muster realisiert: Kodierung Dekodierung + Interpretation Produktion Übertragung Rezeption   sprachliche Handlung  Konkrete Situation und Absicht Texte entstehen als Produkte einer kommunikativen Tätigkeit, die wir auch als „sprachliches Handeln“ bezeichnen, und zwar in einer bestimmten kommunikativen Situation, die die Kommunikation beeinflusst. Sie entstehen mit einer bestimmten Absicht.Der Text entsteht beim Produzenten (Sender) und wird durch den Kommunikationskanal auf den Rezipienten (Empfänger) übertragen. Zum Prozess der Rezeption gehört auch die Interpretation der Äußerung / des Textes. (vgl. Hausenblas 1996:35) 22 6.2 KOMMUNIKATIVES HANDELN Die Textproduktion ist eine Tätigkeit, die wir bewusst durchführen und bei der wir eine Absicht verfolgen. Wir wollen informieren, überzeugen, motivieren usw. und produzieren einen Text mit einer bestimmten Funktion. Der Textproduzent geht davon aus, dass der Rezipient seine Handlungsabsicht erkennt und die Äußerung richtig interpretiert. In diesem Zusammenhang spricht HAUSENBLAS (1996) von vielen Interpretationsmöglichkeiten eines Textes. Ein und derselbe Text kann von verschiedenen Rezipienten unterschiedlich interpretiert werden, ein Text kann sogar von einem Rezipienten anders interpretiert werden, wenn sich z. B. der Kontext ändert. Kommunikatives Handeln bedarf immer ein Medium, wie z.B. die Sprache. Ohne ein Medium könnten Bedeutungsinhalte nicht transportiert werden. Die Kommunikation erfolgt aber nicht nur durch sprachliche, sondern auch durch nichtsprachliche Kommunikationsmittel, wie z.B. Gestik, Mimik, aber auch Bilder und Zeichnungen. Die nicht-sprachlichen Mittel können die sprachlichen ergänzen (Werbeanzeige, Comics) und genauso können die sprachlichen Mittel die nichtsprachlichen ergänzen, unterstützen und ihnen häufig auch einen anderen Sinn geben (Vortrag, Face-to-face-Gespräch). In unserem Interesse liegt die Kommunikation, die auf dem sprachlichen Zeichensystem beruht. Wenn sich die Kommunikation an eine Vielzahl von Individuen richtet, einseitig und öffentlich ist, dann sprechen wir von der Massenkommunikation. Die Massenkommunikation ermöglichen dann die Massenmedien (Fernsehen, Radio, Printmedien, CD, Internet u.a.). 6.3 TEXTPRODUZENT Es gibt Texte, die einen bekannten Textproduzenten haben, und Texte, bei denen der Textproduzent unbekannt und/oder unwichtig ist. Die Tatsache, ob es sich um einen Text mit einem bekannten oder unbekannten Produzenten geht, kann ein differenzierendes Merkmal bei der Textsortenbestimmung darstellen. Z.B. gibt es in den Textsorten Rezept, Totenschein, Urteil, Präsidentenrede usw. meistens nur einen Produzenten, im Gegensatz zu den Textsorten, die mehrere Produzenten aufweisen können, wie z. B. Sportreportage, Bericht, Fernsehsendung. Gleichzeitig gibt es Texte, bei denen der Produzent bekannt (Tagebuch, Rezept, Entschuldigung u.a.) oder völlig anonym ist (Wettervorhersage, Werbeanzeige u.a.). 6.4 TEXTREZIPIENT Dagegen ist der Rezipient fakultativ. Es gibt Texte, die nur von ihren eigenen Produzenten gelesen werden (z. B. ein geheimes Tagebuch), die von niemandem gehört 23 werden (z. B. eine Mit-Sich-Selbst-Sprache). Der Rezipient kann also ein differenzierendes Merkmal darstellen. Es kann sich hier um Texte handeln, die für eine bestimmte Gruppe von Rezipienten (Kindermärchen, Vortrag usw.) oder für einen einzigen Rezipienten (persönlicher Brief, Glückwunsch) bestimmt sind. Persönliche Briefe sind meistens nur an eine Person adressiert, die auch im Brief angesprochen wird, z. B. „Liebe Karolin, ...“ . Auch in einem Glückwunsch sprechen wir eine konkrete Person an. Es gibt aber auch Textsorten mit unbekannten Rezipienten. Als Beispiel könnten wir alle Texte nennen, die wir als „Literatur“ bezeichnen. In den Gebrauchsanweisungen ist z. B. sowohl der Produzent als auch der Rezipient anonym. Der Rezipient ist in diesem Falle der Verbraucher, der ein Produkt gekauft hat, aber für den Produzenten eine ganz unbestimmte Person. In der Praxis ist die Situation oft noch komplizierter. Außer dem Produzenten und dem Rezipienten können an der Kommunikation noch andere Personen, wie Übersetzer, Korrektoren oder Herausgeber, teilnehmen. (vgl. Hausenblas 1996:43) 6.5 KOMMUNIKATIONSKANAL Einige Texte können sowohl in schriftlicher als auch mündlicher Form produziert werden. Wir unterscheiden dann geschriebene und gesprochene Texte. Der optische Kanal für geschriebene Texte und der akustische Kanal für gesprochene Texte werden auch zum differenzierenden Merkmal. 6.6 ZEITRELATION Mit der Zeitrelation hängt die Zeit des Textempfangs zusammen. Dabei entstehen Situationen, in denen der gesendete Text erst in einem Zeitabstand von Minuten, Stunden, aber auch Jahren empfangen wird. Wir sprechen von einer „teilweisen Kommunikation“ (Dimter 1981:45), da bei der Textproduktion der Rezipient abwesend ist. Auch der Ort der Produktion und der Ort der Rezeption müssen nicht übereinstimmen. Bei der Kommunikation mit verschiedenen Sende- und Empfangsorten können zwei Situationen entstehen: 1) Die Rezeption findet in einem Zeitabstand von der Produktion statt:  gesprochener Text (Tonbandaufnahme)  geschriebener Text (Brief, Testament, Kochrezept) 2) Die Rezeption findet gleichzeitig mit der Produktion statt:  gesprochener Text (Telefongespräch)  geschriebener Text (Computer-On-line-Gespräch) 24 Aufgabe 7 Nennen Sie die Unterschiede zwischen einer üblichen Kommunikation und einer Massenkommunikation. Falls Sie mehr zu diesem Thema erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen: Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 3., durchges. und erw. Aufl. Berlin, 1992. Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 4., durchges. und erw. Aufl. Berlin, 1997. Dimter, Matthias: Textklassenkonzepte heutiger Alltagssprache. Kommunikationssituation, Textfunktion und Textinhalt als Kategorien alltagssprachlicher Textklassifikation. Tübingen 1981. Hausenblas, Karel: Od tvaru k smyslu textu. Stylistické reflexe a interpretace. Praha 1996. Karmasin, Matthias: Das Oligopol der Wahrheit. Medienunternehmen zwischen Ökonomie und Ethik. Wien 1993. Maletzke, Gerhard: Massenkommunikationstheorien. Tübingen 1988. Maletzke, Gerhard: Psychologie der Massenkommunikation. Hamburg 1978. 25 7. GESPRÄCHSANALYSE Was sind die Ziele? In dieser Lektion werden die Begriffe Gesprächsanalyse und Sprechakttheorie vorgestellt, die Studenten werden mit dem Terminus Gespräch arbeiten und die Struktur eines Gesprächs kennen lernen. Schlüsselbegriffe Gesprächsanalyse, Gespräch, Gesprächspartner, Gesprächsverlauf, Sprecherwechsel, Rollenwechsel, Rückmeldeverhalten (Hörer-feed-back), verbale, nonverbale Signale, Fremdwahl, Selbstwahl, nonverbales Verhalten 7.1 DAS GESPRÄCH Das Gespräch ist die grundlegende Form und das Resultat der sprachlichen Tätigkeit von mindestens zwei Gesprächspartnern. Ein Gespräch besteht aus einzelnen Gesprächsbeiträgen (turns) und die grundlegende Organisationsgröße eines Gesprächs ist der Sprecherwechsel (turn-taking). Bei einem Sprecherwechsel kommt es eigentlich zu einem Rollenwechsel – der Sprecher übernimmt die Rolle des Hörers und der Hörer wird zum Sprecher. Eine wichtige Bedingung dafür, dass ein Gespräch sinnvoll ist, ist ein gemeinsames Thema der Interaktionspartner. Gesprächspartner Als Sprecher wird diejenige Person bezeichnet, die spricht, als Hörer dann diejenige Person, die zuhört. Es bietet sich an zu behaupten, dass der Sprecher eine aktive Rolle in einem Gespräch hat, während der Hörer nur passiv zuhört. Aber nicht nur die Sprecher beteiligen sich an einem Gespräch aktiv. Ein Zeichen dafür, dass der Adressat aktiv zuhört, ist der Blickkontakt. Außerdem kann das Hörerverhalten den Gesprächsverlauf stark beeinflussen (z.B. durch das nonverbale Verhalten). Es lassen sich zwei Typen von Signalen der Höreraktivität unterscheiden: a) aufmerksamkeitsbezeugende Signale, die zeigen, dass der Hörer zuhört b) kommentierende Signale, die eine Zustimmung, Zweifel u.a. des Hörers signalisieren 26 Außerdem gibt es noch: verbale Signale: - ja, jaja, ach ja, - O nein!, Tatsächlich?, Stimmt., Eben., usw. nonverbale Signale: - Mimik, Gestik - Kopfbewegungen, Kopfschütteln - Körperzuwendung - Lächeln, Lachen, usw. Für den Sprecher sind die Signale des Hörers sehr wichtig. Nach dem, wie der Hörer reagiert, kann der Sprecher langsamer oder schneller, lauter oder leiser sprechen, oder das Gesagte wiederholen und/oder präzisieren, ausführlicher erzählen, oder lieber das Thema wechseln usw. An dieser Stelle sprechen wir von einem Rückmeldeverhalten (Hörer-feed-back). Aufgabe 8 1. Formulieren Sie einige Gesprächsverhaltensnormen. 2. Versuchen Sie zu erklären, warum einige Linguisten das Gespräch als einen Text bezeichnen, während es einige Linguisten als eine Einheit, die aus zwei Texten besteht, charakterisieren. 3. Formulieren Sie in Stichpunkten die wichtigsten Eigenschaften eines Gesprächs. 7.2 VERLAUF DES GESPRÄCHS Wie schon gesagt, kommt es in einem Gespräch zu einem Rollenwechsel – der Sprecher übernimmt die Rolle des Hörers und der Hörer wird zum Sprecher (Der Sprecher kommt zu Wort.). Nach LINKE/NUSSBAUMER/PORTMANN (1991) lassen sich zwei Arten des „Zu-Wort-Kommens“ unterscheiden: Entweder wird uns das Wort erteilt (Fremdwahl) oder wir nehmen es uns selbst (Selbstwahl). a) verbal - durch die direkte Anrede - durch einen Diskussionsleiter b) nonverbal - durch deutliche Körperzuwendung - durch eine auffordernde Geste 27 Nonverbales Verhalten Das nonverbale Verhalten (das Verhalten, bei dem nicht gesprochen wird) spielt beim Kommunizieren eine sehr wichtige Rolle. Gestik, Mimik, Körperhaltung und Blickkontakt können das Gespräch und den Sprecherwechsel z.B.:  unterstützen – auffordernde Kopfbewegung und Augenkontakt („Sie haben das Wort“)  vorbereiten – ein leichtes Öffnen des Mundes („Ich will dazu etwas sagen.“)  ersetzen (zum Teil) – Kopfnicken („Ja, ja.“) Aufgabe 9 Nennen Sie einige konkrete Beispiele für das nonverbale Verhalten und seine Bedeutungen. Gestik (Hand- und Armbewegungen) Mimik (Spiel der Gesichtsmuskeln) Blickkontakt Körperhaltung 7.3 DIE STRUKTUR DES GESPRÄCHS Auf der makrostrukturellen Ebene verlaufen die meisten Gespräche nach einem einfachen Muster: Zuerst werden sie eingeleitet (z.B. Begrüßung und Anrede), dann wird das Ziel des Gesprächs direkt oder indirekt formuliert, und schließlich wird das Gespräch abgeschlossen (z.B. Danksagung, Wiederholung der wichtigsten Information, Grußformel). Diese drei Phasen werden folgend benannt: 1. Gesprächseröffnung 2. Gesprächsmitte 3. Gesprächsschluss (Gesprächsbeendigung) In der mikrostrukturellen Analyse geht es dann um den Inhalt eines Gesprächs, es geht um die Ziele, die ein Sprecher mittels Sprache zu erreichen versucht. 28 8. TEXTSORTEN Was sind die Ziele? In dieser Lektion werden einige Definitionen des Begriffs Textsorte vorgestellt und es wird auch auf die Vielfältigkeit der Textsortenklassifizierungsvorschläge aufmerksam gemacht. Schließlich sollen die Studenten einen Überblick über die einzelnen Vorschläge der Textsortenklassifizierung gewinnen. Schlüsselbegriffe  Textsorte, Textklasse, Texttyp, Textmuster, Differenzierungsmerkmal, Konvention, Funktion 8.1 TEXTSORTE Jeder Text weist bestimmte Textualitätsmerkmale auf und repräsentiert dadurch auch eine bestimmte Textsorte. In der Fachliteratur findet man auch die Termini „Textklassen“, „Texttypen“, „Textmuster“ u.a., die einerseits synonym gebraucht werden, andererseits unterschiedliche Gruppen von Texten bezeichnen. Es gibt eine ganze Reihe von Textsortendefinitionen sowie Vorschlägen zur Textklassifikation. Zum Vergleich lege ich die Definitionen der Textsorten von BRINKER, LUX, ERMERT und SANDERS vor. 8.2 TEXTSORTENDEFINITIONEN Nach BRINKER sind Textsorten „konventionell geltende Muster für komplexe sprachliche Handlungen und lassen sich als jeweils typische Verbindungen von kontextuellen (situativen), kommunikativ-funktionalen und strukturellen (grammatischen und thematischen) Merkmalen beschreiben. Sie haben sich in der Sprachgemeinschaft historisch entwickelt und gehören zum Alltagswissen der Sprachteilhaber; sie besitzen zwar eine nominierende Wirkung, erleichtern aber zugleich den kommunikativen Umgang, indem sie den Kommunizierenden mehr oder weniger feste Orientierungen für die Produktion und Rezeption von Texten geben.“ (Brinker 1992:132) Unter Textsorten versteht SANDERS „alle typisch ausgeprägten Formen sprachlicher Kommunikation [...] typisch wiederkehrende Kommunikationsmuster, die 29 einerseits im Rahmen der literarischen Tradition, andererseits nach gesellschaftlichen Sprachverhaltensnormen benutzt werden“. (Sanders 1977:111) In einzelnen Textsorten werden also Texte mit gemeinsamen spezifischen Eigenschaften wie z. B. Abbildung der Welt, kommunikative Funktion, Eigenstruktur usw. zugeordnet. Demnach lassen sich Textsorten durch textsortenspezifische Merkmale oder Kombinationen von Merkmalen charakterisieren. Genauso kann man gezielt einzelne Textsorten bilden, indem man nach der Kommunikationsabsicht die Textsorte wählt und einen Text bildet, der Träger von spezifischen Merkmalen dieser Textsorte ist und auch entsprechend strukturiert ist. SANDIG spricht von einem „Textmuster“, einem vorgefertigten Plan, der zur Bildung eines Textes, der eine Textsorte repräsentiert, führt (vgl. Sandig 1979). Dieses Muster ist nach Sandig konventionell verfügbar und gilt als eine theoretische Grundlage. Durch die Realisierung dieses Musters bei einer sprachlichen Handlung entsteht dann ein Text. Es scheint einfach zu sein, Texte nach ihren Eigenschaften einzelnen Textsorten zuzuordnen. Es gibt aber zwei Gründe, warum es nicht so eindeutig ist. Der erste liegt darin, dass es keine klaren Grenzen zwischen den Textsorten gibt (vgl. Mistrík 1975:56), der zweite betrifft die zahlreichen Textsorten-Klassifikationsvorschläge, die sehr variieren. Die Texttypologie ist nicht eindeutig und bleibt noch offen. 8.3 TEXTKLASSIFIKATIONSVORSCHLÄGE Es gibt eine unüberschaubare Menge von verschiedenen Texten. Die Textlinguistik bemüht sich, diese Texte nach gemeinsamen Eigenschaften und Merkmalen zu klassifizieren. Es ist aber unmöglich, alle Textsorten zu nennen und sie zu beschreiben, da diese Problematik in der Textlinguistik bisher nicht ausreichend untersucht worden ist. Die Linguisten versuchen erst eine allgemeine Grundlage für die Textklassifikation zu schaffen. Die Vielfalt einzelner Textsorten und Untersuchungsmethoden sowie die Absenz von eindeutigen Abgrenzungskriterien zeigen, wie problematisch die Zuordnung konkreter Texte zu einzelnen Sorten ist. In der Geschichte dieser jungen Disziplin entstanden viele Klassifikationsvorschläge, die die Texte nach ganz unterschiedlichen Typologisierungskriterien zu ordnen versuchen. Diese Klassifikationsvorschläge wurden durch die aktuelle Entwicklung der Textlinguistik geprägt und durch die vorherrschenden theoretischen und methodologischen Positionen der Linguistik bestimmt. Textklassifikationen reflektierten die dominierende linguistische Auffassung der Epoche, in der sie entstanden sind. (vgl. Heinemann/Viehweger 1991:134) 30 8.4 KOMMUNIKATIONSBEREICHE Kommunikationsbereiche sind Lebensbereiche, für die Texte mit bestimmten gemeinsamen Merkmalen (Textstruktur, Themenentfaltung, sprachlich-stilistische Mittel) typisch sind. In der Fachliteratur werden 5 Kommunikationsbereiche (KB) unterschieden: 1. KB Alltagsverkehr / Privatverkehr - Texte, die in privaten und nicht offiziellen Situationen entstehen. (Alltagsgespräche, Ansichtskarten, Einladungen, Glückwünsche, SMS u.a.) 2. KB offizieller Verkehr - Texte, die bei der Kommunikation mit Behörden, Banken und unterschiedlichen Institutionen entstehen. (Verträge, Bewerbungen, Formulare, Anträge, Garantiescheine, Polizeiberichte, Zeugnisse u.a.) 3. KB Fachkommunikation - Texte, die bei der Kommunikation unter Fachleuten entstehen, Texte aus dem technischen, ökonomischen, wirtschaftlichen oder z.B. medizinischen Bereich (um nur einige Beispiele zu nennen). (Fachaufsätze, Diplomarbeiten, Thesen, Rezensionen, Gutachten, Vorlesungen, Lehrbücher, Studienstützen u.a.) 4. KB Massenmedien / Presse und Publizistik - Texte, die im Bereich Presse und Publizistik entstehen und an eine unbekannte und näher nicht spezifizierte Masse an Leser und Hörer gerichtet sind und bei einer öffentlichen Kommunikation entstehen. (Kommentar, Meldung, Bericht, Reportage, Wetterbericht, Sportbericht u.a.) 5. KB Belletristik / künstlerische Literatur - Texte, die man als „schöne Literatur“ bezeichnet und die durch einen hohen Grad an Fiktionalität gekennzeichnet sind. (Romane, Erzählungen, Gedichte, Balladen, Theaterstücke u.a.) Aufgabe 10 Fassen Sie die wichtigsten sprachlichen Merkmale der einzelnen KB zusammen. 31 Falls Sie mehr zu diesem Thema erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen: Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 3., durchges. und erw. Aufl. Berlin, 1992. Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 4., durchges. und erw. Aufl. Berlin, 1997. Heinemann, Wolfgang / Viehweger, Dieter: Textlinguistik. Tübingen 1991. Mistrík Josef: Žánre vecnej literatúry. Bratislava 1975. Sanders, Willy: Linguistische Stilistik. Grundzüge der Stilanalyse sprachlicher Kommunikation. Göttingen 1977. Sandig, Barbara: Textsortenbeschreibung unter dem Gesichtspunkt einer linguistischen Pragmatik. In: Textsorten und literarische Gattungen. Dokumentation des Germanistentages in Hamburg 1979. 32 9. ZUORDNUNG DES TEXTES ZU EINER TEXTSORTE Was sind die Ziele? Es gibt Textsorten, die sehr klar und eindeutig bestimmbar sind, sie sind hoch standardisiert und/oder sogar kodifiziert. Einige sind dagegen schwer zu bestimmen und eine klare Grenze zwischen einzelnen Textsorten zu ziehen ist nicht selten schwierig. In dieser Lektion soll gezeigt werden, welche Kriterien uns helfen, einen Text zu einer Textsorte richtig zuzuordnen. Schlüsselbegriffe  Textsorte, Textfunktion, Tätigkeitsbereich, Konvention, globale Textstrukturen, Superstrukturen 9.1 ZUORDNUNGSVORSCHLÄGE Es gibt Textsorten, die sehr klar und eindeutig bestimmbar sind, sie sind hoch standardisiert und/oder sogar kodifiziert. Einige sind dagegen schwer zu bestimmen und eine klare Grenze zwischen einzelnen Textsorten zu ziehen ist nicht selten schwierig. Wie wir schon erwähnt haben, arbeiten die Textlinguisten bei der Zuordnung des Textes zu einer Textsorte mit verschiedenen Kriterien. BRINKER, ROLF, GROßE und EIGENWALD ordnen die Texte nach einem dominanten Kriterium. SANDIG und DIMTER unterscheiden einzelne Textsorten nach bestimmten Merkmalen oder Merkmalkombinationen. 9.2 NACH EINEM DOMINANTEN KRITERIUM a) nach der Funktion BRINKER Für BRINKER ist die Textfunktion das Basiskriterium zur Differenzierung von Textsorten. Er unterscheidet fünf Funktionstypen: Informationsfunktion, Appellfunktion, Obligationsfunktion, Kontaktfunktion und Deklarationsfunktion. 33 Nach der Funktion, die einzelne Texte haben, teilt er die Textsorten folgendermaßen: 1. Informationstexte (Nachricht, Bericht, Sachbuch, Rezension...) 2. Appelltexte (Werbeanzeige, Kommentar, Gesetz, Antrag...) 3. Obligationstexte (Vertrag, Garantieschein, Gelöbnis...) 4. Kontakttexte (Danksagung, Kondolenzschreiben, Ansichtskarte...) 5. Deklarationstexte (Testament, Ernennungsurkunde...) (vgl. Brinker 1992:133) BRINKER unterscheidet also nach dem Kriterium „Textfunktion“ fünf Klassen: Informationstexte, Appelltexte, Obligationstexte, Kontakttexte und Deklarationstexte. Ausgangsbasis für diese Differenzierung ist die sprachliche Handlung und die Absicht zu informieren, zu appellieren, zu versprechen usw. Die einzelnen Sorten sind aber noch sehr umfangreich und können weiter gegliedert werden. Der Autor spricht in diesem Zusammenhang von „Großklassen“ und „Subklassen“ (vgl. Brinker 1992:133). Des Weiteren teilt BRINKER die Texte nach kontextuellen und strukturellen Kriterien ein. BRINKER kommt zu dem Ergebnis, dass die Textsorten der Alltagssprache hauptsächlich durch funktionale, thematische und situative Merkmale definiert sind. „Die Thematik besitzt lediglich eine spezifizierende Bedeutung, die Situation gibt den Rahmen an, in dem sich der kommunikative Kontakt realisiert.“ (Brinker 1992:131). ROLF ROLF hält die Funktion eines Textes für das entscheidende Kriterium für die Zuordnung zu einer Textsorte. Er geht davon aus, dass jeder Text mit einer Absicht entsteht. Infolgedessen können Texte nach ihrer Textfunktion klassifiziert werden. „Mit dieser Sichtweise ist die Auffassung verbunden, dass die Textproduzenten mit der Herstellung und Übermittlung eines Textes eine Absicht verfolgen bzw. ein Ziel anstreben, dass sie, kurz gesagt, mit ihrem Text etwas Bestimmtes erreichen, z. B. ein bestimmtes Problem lösen oder einem bestimmten Anliegen entsprechen wollen.“ (Rolf 1993:39) Dieser Zweck dient ihm als Basis einer Klassifikation der Gebrauchstexte. ROLF (1993:166) unterscheidet Gebrauchstextsorten nach deren Funktion und stellt seinen Klassifikationsvorschlag, der ca. 2100 Gebrauchstextsorten-Bezeichnungen umfasst, vor. Er unterteilt Gebrauchstexte in fünf Klassen: 1. assertive (informationale) Texte 2. direktive Texte 3. kommissive Texte 4. expressive Texte 5. deklarative Texte 34 Bei dieser Klassifikation geht ROLF von der sog. Sprechakttheorie AUSTINS und SEARLES aus, nach der alle Sprechakte fünf Typen mit verschiedenen Zielen aufweisen (vgl. Ulkan 1992:41). Die assertiven Texte haben die Funktion, den Adressaten zu informieren und zwar über die Tatsachen, die der Adressat wissen sollte, oder muss. Der Autor des Textes hat die Absicht, Informationen zu übermitteln, einen Überblick zu geben oder Stellung zu nehmen. Der größte Teil der Gebrauchstexte hat gerade diese informative Funktion (vgl. Rolf 1993:166). Zu den assertiven Texten gehören z. B.: Tagebuch, Telegramm, Anzeige, Radiomeldung, Durchsage, Auskunft, Merkblatt, Vorwort, Motto, Referat, Tabelle, Liste. „Die Funktion der direktiven Textsorten besteht im Allgemeinen darin, den Adressaten zur Ausführung einer ganz bestimmten Handlung zu bewegen.“ (Rolf 1993:223). Diese Textsorten informieren darüber, auf welche Weise etwas gemacht werden soll, was der Adressat machen muss, oder was er zu unterlassen hat. Die Begriffe, die diese Textsorten am besten charakterisieren, sind Pflicht und Verbot. Zu den direktiven Textsorten gehören z. B. Regel, Verbot, Rezept, Anleitung. Es sind aber auch Texte, die einen Wunsch ausdrücken, wie Kontakt- oder Werbeanzeige. Die kommissiven Texte geben Informationen über das zukünftige Verhalten und über die Verpflichtungen des Textproduzenten gegenüber dem Adressaten, bzw. beiderseitige Verpflichtungen. Es sind z. B. Garantie, Angebot, Schwur, Lizenz, Vertrag. Die Reaktionen auf bestimmte Situationen und Zustände drücken die expressiven Texte aus. Es sind z. B. Trauerrede, Beileidsbrief, Lob, Protest, Entschuldigung, Glückwunsch u.a. Die deklarativen Texte „dienen dazu, die Unterstellung institutioneller Wirklichkeiten herbeizuführen, aufzuheben oder in andere derartige Unterstellungen zu überführen“ (Rolf 1993:168). Zu den deklarativen Textsorten zählt er z. B. Urkunde, Ausweis, Zeugnis, Zertifikat, Dekret, Testament. 9.3 NACH DER KONVENTION Bei der Kommunikation verläuft die Textproduktion in den meisten Fällen spontan. In der schriftlichen Kommunikation ist es vor allem ein Brief, in der mündlichen Kommunikation z. B. eine Erzählung, die vom Textproduzenten ganz automatisch verfasst und auch richtig benannt werden können. Ein Ereignis kann von einem Textproduzenten als ein Witz, eine Erzählung, ein Bericht, ein Märchen oder auch in Form eines Telegramms wiedergegeben werden. Entscheidend dabei ist die Absicht des Produzenten. „Was möchte ich mit meiner Aussage erreichen? Möchte ich informieren, amüsieren, oder Aufmerksamkeit erregen?“ Beim Textverstehen spürt der Rezipient in erster Linie die Absicht des Produzenten und die Funktion des Textes. 35 Wichtig sind auch charakteristische externe und interne Merkmale, die für eine Textsorte spezifisch sind. Ohne textlinguistisches Wissen produzieren die Gesprächspartner bei einer mündlichen Kommunikation bewusst verschiedene Textsorten. Auch der Hörer ist fähig, einen Text einer Textklasse zuzuordnen. „Sprecher und Hörer haben ein spezifisches Wissen über globale Textstrukturen bzw. ein Textsortenwissen, das es ihnen ermöglicht, Texte als Exemplar einer Klasse bzw. einer Sorte zu bestimmen.“ (Heinemann/Viehweger 1991:110) HEINEMANN/ VIEHWEGER unterscheidet drei Kenntnissysteme, denen die Kenntnisse verschiedener Textproduzenten zugeordnet werden können. Es werden also einzelne Texte von den Textproduzenten als Exemplare verschiedener Textsorten entweder unbewusst oder gezielt zusammengestellt. Entscheidend dabei ist das Ziel, das erreicht werden soll. Von einem „konventionellen Charakter“ der Textsorten, die von den meisten Sprechern gekannt und erkannt werden, spricht VAN DIJK (1980). Sie bezeichnet die Textsortenmuster als „Superstrukturen“. „Die Superstruktur ist eine Art abstraktes Schema, das die globale Ordnung eines Textes festlegt und das aus einer Reihe von Kategorien besteht, deren Kombinationsmöglichkeiten auf konventionellen Regeln beruhen.“ (van Dijk 1980:131) Diese Superstrukturen existieren unabhängig vom Inhalt. Einen Bericht kann man über einen Unfall, über das Wetter, über einen Urlaub oder eine Geburt schreiben, umgekehrt kann man zum Thema Hochzeit nicht nur berichten, sondern auch einen Witz, ein Gedicht, eine Heiratsurkunde verfassen, oder ein Gespräch führen. Entscheidend für die Wahl einer Textform - einer Superstruktur ist der kommunikative Kontext und die kommunikative Funktion. Falls Sie mehr zu diesem Thema erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen: Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 3., durchges. und erw. Aufl. Berlin, 1992. Heinemann, Wolfgang / Viehweger, Dieter: Textlinguistik. Tübingen 1991. Rolf, Eckard: Die Funktionen der Gebrauchstextsorten. Berlin / New York 1993. Ulkan, Maria: Zur Klassifikation von Sprechakten: eine grundlagetheoretische Fallstudie. Tübingen 1992. van Dijk, Teun: Textwissenschaft. Tübingen 1980. Vater, Heinz: Einführung in die Textlinguistik. Struktur, Thema und Referenz in Texten. 2., überarbeitete Auflage. Wilhelm Fink Verlag, München 1994. 36 10. ASPEKTE DER TEXTKLASSIFIKATION Was sind die Ziele? In folgender Lektion werden wir uns ausführlicher mit den Aspekten der Textsortenklassifikation beschäftigen. Kommunikationssituation, Textfunktion, Form, Thema, Musterrealisierung sowie verschiedene stilistische Aspekte können bei der Textsortenbestimmung behilflich sein, oder sogar eine entscheidende Rolle spielen. Schlüsselbegriffe  implizit, explizit ausgedrückte Funktion, performative Formeln, Titel, Untertitel, Kommunikationsform, Thema, Musterrealisierung, Musterform, stilistische Aspekte 10.1 KOMMUNIKATIONSSITUATION Siehe Lektion 6 10.2 TEXTFUNKTION Die Textfunktion bezeichnet BRINKER als: „[...] den Sinn, den ein Text in einem Kommunikationsprozess erhält, bzw. als Zweck, den ein Text im Rahmen einer Kommunikationssituation erfüllt.“ (Brinker 1997:81) Gehen wir von der Textdefinition von HEINEMANN/VIEHWEGER (siehe Kap. I. 1.3) aus, so sehen wir, dass die Funktion des Textes, die die Absicht des Produzenten widerspiegelt, eine sehr wichtige Rolle spielt. Jeder Text wird mit einer bestimmten Kommunikationsabsicht produziert. Der Sprecher will dem Angesprochenen etwas mitteilen, ihn zu etwas überreden, bewegen, oder ihm etwas verbieten usw., er verfolgt bestimmte Ziele. Nach der Sprechakttheorie äußert derjenige, der etwas sagt, einen Satz (diese sprachliche Handlung wird als „lokutionärer Akt“ bezeichnet), der Sprecher äußert damit seine Meinung, Aufforderung oder seinen Wunsch („illokutionärer Akt“) und bewirkt etwas („perlokutionärer Akt“). (vgl. Ulkan 1992:3) Der Rezipient sollte den kommunikativen Sinn des Textes sowie die Absicht des Produzenten - die kommunikative Funktion – erkennen. (zur Textfunktion siehe auch Kap. I. 3.1) 37 Indikatoren der Textfunktion Bei der Analyse der Funktion eines Textes finden wir viele Merkmale, die auf die Funktion des Textes verweisen. Wir werden von einer Textfunktion sprechen, obwohl ein Text mehrere kommunikative Funktionen haben kann. In einer Werbung können wir z. B. die Funktion überzeugen / steuern, unterhalten, informieren und kontaktieren finden, aber nur eine dieser Funktionen ist im Text dominant. Es ist unsere Absicht, diese vorherrschende Funktion zu bestimmen. BRINKER bezeichnet die dominante Funktion als „Textfunktion“ (Brinker 1997:82). Die Textfunktion kann explizit oder implizit ausgedrückt werden. 1) implizit ausgedrückte Funktion Ist die Funktion implizit ausgedrückt, spielen lexikalische und syntaktische Merkmale, Struktur des Textes und stilistische Variationen eine entscheidende Rolle. Aber auch das Wissen über den Kontext und den Sprecher kann helfen, die wahre Absicht des Produzenten zu erkennen. Einer der Indikatoren ist das Thema des Textes. Die Textfunktion ist nach dem Thema des Textes erkennbar (vgl. Brinker 1992:141). Das Thema selbst bestimmt die Funktion aber nicht. Ein Thema kann in mehreren Textsorten mit unterschiedlicher Funktion im Vordergrund stehen. Z.B. haben eine Heiratsurkunde und Heiratsanzeige ein gemeinsames Thema, aber unterschiedliche Funktionen. Die Heiratsurkunde dokumentiert die rechtliche Gültigkeit, mit der Heiratsanzeige wird etwas bekannt gemacht (vgl. Dimter 1981:95). Kriegsbericht, Reisebericht, Wetterbericht sind wieder Texte mit gleichen Funktionen, in jedem Text wird aber ein anderes Thema behandelt. Die stilistische Struktur kann die Funktion eines Textes verändern, und so kann uns wiederum der Stil die Textfunktion signalisieren. Nach VAN DIJK ist in einigen Fällen die stilistische Interpretation sogar wichtiger als die semantisch-pragmatische: „wichtig ist nicht WAS gesagt wird, sondern WIE es gesagt wird“ (van Dijk 1980:111). Die Funktion des Textes hängt von dem Kontext ab. Nehmen wir z.B. die Heiratsanzeige. Als Text in einer Zeitung hat sie eine informierende Funktion. Denselben Text können aber auch Freunde auf einer Party mit der Absicht „unterhalten“ schreiben. Mit einer Heiratsanzeige könnte auch ein Mann originell um die Hand seiner Freundin bitten. Dieser Text hätte dann die Funktion „steuern“ / „überzeugen“. 2) explizit ausgedrückte Funktion Explizit ist die Funktion ausgedrückt, wenn sie im Text direkt genannt ist. Diese direkte Benennung der Textfunktion ermöglichen die sog. performativen Formeln, wie „ich gratuliere“, „wir wünschen Ihnen“, „wir bieten Ihnen...an“. Auch die sog. „Präsignale“ wie Gesetz, Erlaubnis u.a. informieren den Empfänger über die Funktion des Textes und über die Kommunikationsabsicht des Produzenten. 38 Auch Titel oder Untertitel können direkt die Funktion signalisieren. Es ist z.B. auf den ersten Blick erkennbar, dass die Funktion des Textes mit dem Titel „Informationen“ einen informativen Charakter hat. 10.3 KOMMUNIKATIONSFORM Hier wird über die Form der Kommunikation in verschiedenen Textsorten gesprochen. Für einen Brief ist die schriftliche Form typisch, eine Rede wird mündlich übertragen und ein Bericht könnte entweder in der schriftlichen oder mündlichen Form vorkommen. Nach der Kommunikationsform unterscheiden wir also geschriebene und gesprochene Texte. 10.4 THEMA Bei vielen Textsorten ist das Thema aus dem Titel ersichtlich. Bei einer Geburtsanzeige ist das Thema Geburt. In einem Wetterbericht wird über das Wetter gesprochen oder geschrieben. Es können folgende Situationen auftreten: a) eine Textsorte hat ein bestimmtes Thema (Geburtsanzeige, Wetterbericht u.a.) b) eine Textsorte hat verschiedene Themen (Telefongespräch, Fernsehsendung u.a.) c) mehrere Textsorten haben das gleiche Thema (Heiratsurkunde, Heiratsanzeige u.a.) 10.5 MUSTERREALISIERUNG Die Textsorten unterscheiden sich durch die Form. Bei einzelnen Textsorten können wir von einer Musterform sprechen (z.B. Brief, Kochrezept). Wie schon gesagt, ist ein Text eine Folge von sprachlichen Zeichen, die eine kommunikative Funktion haben. Der Text ist daher durch eine Kommunikationssituation bedingt. Der Kontext und die Formen der Kommunikation beeinflussen den Textinhalt und auch die Textstruktur. Als Texte werden auch Tabellen, Listen, Inhaltsverzeichnisse, Fahrpläne u.a. bezeichnet. Neben den Texten, die man als ununterbrochene Verkettung charakterisieren könnte, gibt es nämlich auch „tabellarische Texte“, in denen keine syntaktische, sondern nur semantisch-pragmatische Kohärenz besteht. Falls Sie mehr zu diesem Thema erfahren möchten, empfehlen wir Ihnen: Brinker, Klaus: Linguistische Textanalyse. Eine Einführung in Grundbegriffe und Methoden. 4., durchges. und erw. Aufl. Berlin, 1997. 39 THEMEN ZUR PRÜFUNG 1) Text und seine Definitionen Wie läßt sich ein Text definieren? Welche Eigenschaften sollte ein Text haben? 2) Textualitätskriterien Welche Textualitätsmerkmale sollte ein Text immer erfüllen? Und warum? Wann ist ein Text kohärent? Erklären Sie den Begriff ‚Intertextualität‘ 3) Textstruktur Die Textstruktur ist Textsortenabhängig. Erklären Sie es anhand von konkreten Beispielen. Welche Themenentfaltungsstrategien gibt es und für welche Textsorten sind sie typisch. 4) Textproduktion Welche Umstände spielen Ihrer Meinung nach bei der Textproduktion die wichtigste Rolle? 5) Textverstehen Welche Umstände spielen Ihrer Meinung nach beim Textverstehen die wichtigste Rolle? 6) Kommunikation Wie verläuft eine Kommunikation? Was kann eine erfolgreiche Kommunikation stören? 7) Kommunikationssituation Was alles bildet eine Kommunikation? 8) Gespräch Was ist ein Gespräch? Beschreiben Sie die Struktur eines Gesprächs. 9) Kommunikationsbereiche Welche Kommunikationsbereiche gibt es? Welche sprachlichen Merkmale sind für sie typisch? Welche Textsorten gehören zu diesen Kommunikationsbereichen? 10) Textsorten Was ist eine Textsorte? Název: Textlinguistik Autor: doc. PhDr. Gabriela Rykalová, Ph.D. Vydání: druhé Vydal: Slezská univerzita v Opavě Výtisků: ISBN: 123456-789-X