1 WORT ALS BAUSTEIN DES WORTSCHATZES EINLEITEND Die Sprache manifestiert sich in Äußerungen. Die Äußerungen bestehen aus Wortformen, sie sind Bausteine und zugleich Gleiderungseinheiten von solchen Äußerungen. ZIELE Die Ziele des Kapitels sind, ´Wort´ zu definieren und die lexikalischen Einheiten im Wortschatz zu strukturieren. Nicht zuletzt wird die Bedeutung einer lexikalischen Einheit vorgestellt. SCHLÜSSELWÖRTER Wort, Zeichen, Ikon, Index, Symbol, Arbitrarität, Denotat, Formativ, Bedeutung, Referenz, Homonymie, Polysemie 1.1 Wort als sprachliches Zeichen Das Wort ist ein sprachliches Zeichen. Dieses Zeichen besteht aus einer Vorstellung (Inhaltsseite) und einem Lautkörper (Ausdrucksseite). Der Zusammenhang zwischen der Inhaltsseite und der Ausdrucksseite eines sprachlichen Zeichens ist beliebig (arbiträr). Beliebig bedeutet hier nicht, dass jede Person frei einen Ausdruck für eine Bedeutung aussuchen kann, sondern dass die ursprüngliche Festlegung eines Zeichens unmotiviert ist. Zeichen für die Kommunikation zwischen Menschen bedürfen der „Verabredung“, einer Konvention. Ist das Zeichen erst einmal zur Konvention geworden, bleibt es fest zugeordnet. (Das semiotische Dreieck) Die Welt besteht aus Gegenständen, Sachverhalten, Ereignissen usw. Das Symbol für das außersprachliche Objekt steht in dem Dreieck rechts und bedeutet vereinfacht: Gegenstand, Ding. Wenn sich der Mensch ein Ding vorstellt, macht er sich ein gedachtes Bild davon. Das Symbol dafür steht in dem Dreieck oben und bedeutet: Begriff, Vorstellung oder „was man meint“. Wenn Menschen mit diesen Begriffen von Dingen reden, so verwenden sie Zeichen (meist hörbar, gelegentlich auch sichtbar oder anders wahrnehmbar). Das sind Wörter (auch Bezeichnungen, Benennungen). Das Symbol dafür steht in dem Dreieck links und bedeutet: Wort, Lautkörper oder „was man dazu sagt“. Die Ausdrucksseite hängt mit dem Ding über die Bedeutung zusammen. Das Wort ist also das Ergebnis der Verbindung einer bestimmten Form mit einer bestimmten Bedeutung im 1:1-Verhältnis). Die Bedeutung wird zusammen mit dem Formativ (Lautkörper + Schriftbild) gespeichert und im Kontakt mit dem Formativ wieder hervorgerufen. DEFINITION Das Wort ist die kleinste Einheit unter sprachlichen Zeichen /Symbolen/, eine Verbindung der Form mit der Bedeutung, die eine semantische Einheit bildet. Wörter können wir im Rahmen des Wortschatzes nach unterschiedlichen Kriterien klassifizieren: - nach Wortarten: Substantiv, Adjektiv, Verb usw. - nach dem Wortbildungstyp: Simplizia, Zusammensetzungen, Ableitungen, Kurzwörter usw. (siehe dazu mehr im Kapitel 3) - nach der Beziehung zwischen Formativ und Bedeutung: Homonyme, Polyseme 1.2 Homonymie und Polysemie Homonymie ist die Eigenschaft eines Wortes, mehrdeutig zu sein. Homonyme sind aus ursprünglich differenten Morphemen entstanden, die im Laufe der Zeit gleichlautend wurden. Einem Formativ werden also mehrere Bedeutungen zugeordnet Ein Beispiel dafür ist das mhd. Wort für den Kiefer "kiver" und das ahd. Wort für den heute als Kiefer bezeichneten Baum "kienforha", die heute beide mit Kiefer bezeichnet werden. Man unterscheidet Homographe, Wörter mit gleicher Schreibweise, und Homophone, Wörter mit gleichem Klang. Ein Homograph ist zum Beispiel das Wort Ton – einmal als Ausdruck für aber auch als Bezeichnung für oder August (8. Monat) und August (männlicher Vorname) bzw. Weg (kleine Straße) und weg (Adjektiv: fortsein). Homophone sind etwa die Wörter Wände und Wende. Wenn die mehrdeutigen Wörter auf eine gemeinsame etymologische Wurzel bzw. dasselbe Morphem zurückgeführt werden, handelt es sich nicht um Homonyme sondern um Polyseme. Im Fall der Polysemie wird die Bedeutung eines Morphems im Laufe der Geschichte gesplittet, so z.B. bezeichnet das Wort Schloss sowohl eine als auch ein ZUM SELBSTSTUDIUM Entscheiden Sie: Liegt Polysemie oder Homonymie vor? Suchen Sie im Wörterbuch die relevanten Angaben zu den Wörtern. Ein Tipp: Im Wörterbuch stehen Homonyme meistens als 2 Stichwörter (Lemmata). die Bank der Arm - arm der Geist der Himmel der Elf - alf die Hochzeit die Lehre der Tau - das Tau der Reif - reif sieben die Leiter - der Leiter das Steuer - die Steuer e Stimme das Fest - fest der Strom die Bremse ZUSAMMENFASSUNG Jede Sprache ist eine System von Wörtern, Wörter sind nichts anderes als sprachliche Zeichen. Jedes sprachliche Zeichen hat zwei Seiten, die zueinander gehören wie zwei Seiten eines Blatt Papir. Diese sind das Lautbild des Wortes und die Vorstellung, die mit dem Wort aktiviert wird. Mittel sprachlicher Zeichen bezeichnen wir die Gegenstände und Ereignisse der Welt. Meistens gilt zwischen dem Lautbild und der Vorstellung (Bedeutung) das 1:1-Verhältnis. Es gibt aber auch Fälle, wo mit einem Lautbild zwei Bedeutungen verbunden sind. Diese Zeichen bezeichnet man als Homonyme (die zwei Wortbedeutungen sind etymologisch nicht verwandt) oder als Polyseme (die zwei Wortbedeutungen sind etymologisch verwandt).